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Haare & Kopfhaut

Der Mythos mit den „Trockenen Haaren“

Eigentlich wäre die Schlussfolgerung logisch und nachvollziehbar: Sind die Haare trocken, vielleicht sogar strohig, dann fehlt ihnen Wasser. Aber stimmt das auch? Wir haben mal nachgehakt und das Thema mit unserem Kollegen Dr. Hans-Martin Haake, Head of Application Technology Personal Care bei BASF, besprochen. Und manchmal sind Dinge ganz anders, als sie scheinen.

Sie haben trockene Haare? Dann sind Sie mit diesem Problem nicht allein. Viele Menschen kennen das Gefühl. Aber gehören Sie auch zu den Menschen, die trockene Haare quasi unter der Dusche loswerden wollen, weil Sie glauben, ihnen fehlt es an Wasser im Haar? Ja? Dann müssen wir jetzt mal mit diesem Mythos aufräumen. Um das zu machen, schauen wir aber erst einmal in den Duden.

Hier finden wir über die Bedeutung von „trocken“: 

Quelle: https://www.duden.de/node/186213/revision/520383

  • nicht von Feuchtigkeit (besonders Wasser) durchdrungen oder von außen, an der Oberfläche damit benetzt, bedeckt; frei von Feuchtigkeit, Nässe 
  • die ursprünglich vorhandene [erwünschte] Feuchtigkeit verloren, abgegeben habend; ausgetrocknet, ausgedorrt 

Aufgrund dieser Beschreibung liegt die Annahme des fehlenden Wassers in den eigenen „trockenen“ Haaren nahe. Aber definieren wir an dieser Stelle einmal, was in diesem Zusammenhang „Feuchtigkeit“ bedeutet. 

Der Duden schreibt: 

  • das Feuchtsein, die Feuchte; der Gehalt an Wasser[dampf] 
  • leichte Nässe 

Quelle: https://www.duden.de/node/46877/revision/701358 

Auch das Synonym „Nässe“ lässt die Gedanken schnell ums Wasser kreisen. Und wenn Feuchtigkeit nun als Wasser betrachtet wird, dann reiben sich viele vermutlich nun die Augen: „Das „trockene“ Haar, also das Haar, dass sich trocken anfühlt, enthält tatsächlich nicht weniger Wasser als Haare, die von den Probanden als „normal“, „nicht trocken“, bzw. „gesund“ beschrieben worden sind“, erklärt Dr. Hans-Martin Haake, Head of Application Technology Personal Care bei BASF. „Grundsätzlich hängt der Wassergehalt der Haare primär von der äußeren Luftfeuchte ab“. 

Mythos entzaubert, Bericht Ende. Nein, so schnell wollen wir das Thema natürlich nicht beenden.

Eine kurze Erklärung zum Begriff der relativen Luftfeuchte

Die Angabe der relativen Luftfeuchte erfolgt in Prozent und gibt das Verhältnis zwischen Luft und Wasser(dampf) an. Beträgt die relative Feuchte 100% so ist die Luft maximal mit Wasserdampf gesättigt. Allerdings ist die Wassermenge, die in der Luft enthalten sein kann, sehr temperaturabhängig. Daher „relative“ Feuchte. Mit steigender Lufttemperatur kann mehr Wasser aufgenommen werden.

Wahrscheinlich setzen die meisten von Ihnen „trockene“ Haare mit geschädigten Haaren gleich. Rauh, strohig sind Begriffe, die oft in der eigenen Zustandsbeschreibung Verwendung finden. „Das ist auch richtig. Allerdings ist die Zustandsbeschreibung „trockene Haare“ ein reines Gefühl, das jedoch nichts mit dem Wassergehalt der Haare zu tun hat“, so Haake weiter. 

Wenn wir von gesunden Haaren sprechen, dann sind in der Regel die Haare gemeint, die gerade aus der Kopfhaut herausgewachsen sind, die jungen Haare. Ihre Oberfläche sieht noch jungfräulich aus. Stressfaktoren konnten noch keine Schäden anrichten. Weder außen noch innen. In diesem Zustand ist das Haar hydrophob, also wasserabstoßend.

Wie in einem unserer anderen Artikel beschrieben, werden unsere Haare jedoch fast täglich verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt. Neben den bekannten Faktoren der Luft- oder Umweltverschmutzung, wie z.B. Autoabgase, Industrieemissionen und Staub, gehören besonders chemische Behandlungen wie Blondierung und Haarfarben, sowie UV-Licht und extreme Temperaturen dazu und können gesundes Haar schädigen und/oder bereits bestehende Haarprobleme weiter verstärken. 

Die Außenschicht (Cuticula) und die Faserschicht (Cortex) des Haars wird geschädigt, die Haaroberfläche verändert sich. Aus hydrophob wird plötzlich hydrophil, Wasser liebend. Daher können geschädigte Haare Wasser sogar schneller aufnehmen als ungeschädigte. Aber, wie oben bereits beschrieben: Der tatsächliche Wassergehalt ist quasi ausschließlich von der äußeren Luftfeuchte abhängig.

Eine Sache der Wahrnehmung

Der Wassergehalt kann jedoch nicht gefühlt werden. Zumindest nicht so, wie wir uns Wasser als Flüssigkeit eigentlich vorstellen. Wasser aus dem Wasserhahn, in einem Bach, einem See oder als Erfrischung in einem Glas: Diese Vorstellung von Wasser ist für uns ganz real greifbar. Der Wassergehalt in den Haaren nicht, deshalb nehmen wir die Aufnahme von Wasser in unseren Haaren auch nicht wahr. 

Um dem Paradox zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung etwas näher zu kommen, initiierte Michael G. Davis, leitender Wissenschaftler bei Procter & Gamble, einen Test mit Probanden und Panelisten. Es wurde untersucht, wie Probanden Haare mit unterschiedlichem Wassergehalt beschreiben. Wie schon erwähnt, reagieren Haare stark auf den Wassergehalt der Luft, die Luftfeuchte. 

Im Versuchsaufbau wurden Haarsträhnen bei zwei verschiedenen relativen Luftfeuchten gelagert. Davis konnte durch Messungen zeigen, dass Haare, die bei höherer relativer Luftfeuchte (80%) gelagert wurden, signifikant mehr Wasser enthielten als die, die in trockener Luft (15% relative Luftfeuchte) gelagert wurden. So weit, so gut und in der Wissenschaft schon lange bekannt.

Probanden sollten nun mit verbundenen Augen diese Haarsträhnen erfühlen und danach ihre Wahrnehmung mitteilen. Interessanterweise wurden die Haarsträhnen, die mehr Wasser enthielten von den Probanden als trocken beschrieben.

Stressfaktoren für die Haare

Man tut alles für sein Aussehen, hat seinen eigenen Haarstyle vor Augen, weiß im Umkehrschluss aber sofort, dass man seinen Haaren genau damit viel zumutet.

Zum Artikel

Im zweiten Teil des Experiments hat man Haarsträhnen einmal mit einem nicht-konditionierenden Shampoo behandelt und einmal mit einem konditionierenden Shampoo plus Pflegespülung. Die Haarsträhnen wurden dann jeweils bei einer mittleren relativen Luftfeuchte von 45% gelagert. Die Messung des Wassergehalts ergab identische Werte. Dies ist allerdings noch keine Überraschung. Die Haare wurden ja bei der gleichen Luftfeuchte gelagert. 

Entscheidend sind die Lipide

Allerdings bewerteten die Versuchspersonen die Haare, die mit dem einfachen Shampoo behandelt worden sind als trockener und geschädigter. Dagegen wurden die Haarsträhnen mit dem pflegenden Shampoo und der Spülung als glatter, weniger geschädigt und weniger trocken wahrgenommen. Zur Erinnerung: Der Wassergehalt war identisch. 

Mike Davis konnte also zeigen, dass Menschen Unterschiede im Wassergehalt von Haaren fühlen können (Teil 1 des Experimentes). Allerdings werden Haare, die mehr Wasser enthalten als trockener empfunden. Haare, mit pflegendem Shampoo und Spülung behandelt, wurden als weniger trocken beschrieben (Teil 2 des Versuchs). 

Im „trockenen“, also geschädigten Haar sind deutlich weniger der natürlichen Lipide vorhanden . Um dem Gefühl der Trockenheit entgegenzuwirken, sollte man pflegende Shampoos, Conditioner, „Moisturizer“ und Masken verwenden. Diese Haarpflegeprodukte sorgen zumindest temporär mit Hilfe pflegender Substanzen für eine Zustandsverbesserung. Durch die Behandlung mit Produkten, die Lipide enthalten, kann sich das Haar etwas regenerieren und fühlt sich wieder „angenehm“ und „normal“ an. Eine gute Spülung (Conditioner) kann die Wahrnehmung verändern. Auch der allgemeine Zustand der Kopfhaut und die Menge der Talgproduktion (Sebum) spielen für den Zustand der Haare eine wichtige Rolle.

Unsere Kollegen aus den USA haben dazu einen interessanten Artikel veröffentlicht (ENG).

Wie wichtig Lipide sind und wie groß ihr Einfluss auf die Wahrnehmung der Verbraucher ist, haben unlängst auch unsere Kolleginnen Amber Hubschmitt und Dr. Stella Betancourt aus den USA bewiesen. Die Beiden haben mit ihrer Sensory Flash Profile Studie gezeigt, dass Lipide in Haarpflegeprodukten dazu beitragen, dass die gepflegten Haare sich weniger trocken anfühlen. Zur Bekämpfung „trockener“ Haare ist also nicht das Wasser entscheidend, sondern die Pflege mit Lipiden.

Jetzt aber wirklich: Mythos entzaubert, Bericht Ende. 

Wenn Sie das nächste Mal duschen gehen, um trockenes Haar loszuwerden: Seien Sie nicht enttäuscht, wenn sich das Haar nach der erfrischenden Brause weiter trocken anfühlt. Dies ist nicht die Lösung ihres Problems. Denn manchmal scheinen Dinge anders als sie sind. Greifen Sie ergänzend zu einem guten Shampoo und Conditioner.